Exokrine Pankreasinsuffizienz
Die Transkriptionsfaktoren GATA4 und GATA6 als Schlüsselregulatoren des exokrinen Pankreas
Die Bauchspeicheldrüse als zentrales Organ der Verdauung
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist sowohl ein exokrines wie endokrines Organ, das die Nahrungsbestandteile aufschließt und den Blutzuckerspiegel reguliert. Das Pankreas scheidet ein enzym- und elektrolythaltiges Sekret aus, dessen Sekretionsrate und Zusammensetzung sich abhängig von der Nahrungszufuhr ändert. Der hohe Bikarbonatgehalt sorgt für einen alkalischen pH von etwa 8 und bewirkt über die Neutralisierung des sauren Mageninhalts eine optimale Aktivität der Verdauungsenzyme im Darm. Etwas 90 % der Proteine des Pankreassekrets sind Verdauungsenzyme. Diese werden überwiegend als inaktive Vorstufen (Zymogene) in den Azinuszellen der Bauchspeicheldrüse hergestellt.
Erkrankungen des exokrinen Pankreas äußern sich primär als Entzündung (Pankreatitis) oder als Pankreasinsuffizienz, die zu einer Reduktion des Sekretvolumens und der Konzentrationen von Bikarbonat und Verdauungsenzymen und somit zu einer Gedeihstörung und Fettstühlen führt.
Die Bedeutung von Transkriptionsfaktoren für die Organfunktion
Damit die Bauchspeicheldrüse Verdauungsenzyme herstellt, müssen die dafür verantwortlichen Gene in Eiweißmoleküle (Proteine) übersetzt werden. Für diesen Vorgang sind Transkriptionsfaktoren (TF) von zentraler Bedeutung. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die die Umsetzung der Erbsubstanz (DNA) in das Botenmolekül mRNA steuern und so dafür sorgen, dass ein Protein in der jeweils benötigten Menge gebildet wird. Transkriptionsfaktoren binden an bestimmte Motive der DNA und steuern, ob und wieviel mRNA synthetisiert wird (Transkription). Sie regulieren damit die Expression eines Gens, sodass die Proteine in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt hergestellt werden. Die Faktoren können die Transkription eines Gens sowohl aktivieren (sog. Enhancer) oder hemmen (sog. Silencer). Veränderungen (Mutationen) in der Basenabfolge der Gene, an die TFs binden, können veränderte Transkriptionsraten bedingen, da die TFs nicht mehr richtig andocken.
GATA-Faktoren als Hauptregulatoren der Pankreasfunktion
Zentrale Transkriptionsfaktoren für die Regulation der Herstellung von Verdauungsenzymen in der Bauchspeicheldrüse sind neben PTF1 (bestehend aus PTF1A und RBPJL) die sog. GATA-Transkriptionsfaktoren, insbesondere GATA4 und GATA6. GATA-Moleküle binden an eine spezifische Basenabfolge in der DNA: (A/T)GATA(A/G).
Mutationen im GATA6-Gen verursachen beim Menschen ein vollständiges Fehlen (Aplasie) oder eine Unterentwicklung (Hypoplasie) der Bauchspeicheldrüse, die sich mit schwerer Gedeihstörung im Mutterleib, einer exokrinen Pankreasinsuffizienz und einem Diabetes äußert. Mausmodelle, in denen das GATA6-Gen zerstört wurde (GATA6-knock-out-Mäuse), zeigten ein ähnliches klinisches Bild.
Im Weiteren waren bei diesen Mäusen essentielle Transkriptionsfaktoren der Azinuszelle, die für die Verdauungsenzymsynthese zuständig ist, wie PTF1A und RBPJL stark erniedrigt. Als Folge waren fast alle Verdauungsenzyme deutlich verringert. Darüber hinaus führte die Inaktivierung von GATA6 zu einer schwerwiegenden Umgestaltung des Azinusgewebes: Neben einem massiven Verlust von Azinuszellen wurden ein vermehrter Zelluntergang (Apoptose), eine Verfettung des Organs (Lipomatose) und eine Umwandlung von Azinuszellen zu Gangzellen beobachtet.
Veränderte GATA-Bindung als Ursache der Pankreatitis
Die Pankreatitis ist eine rezidivierende oder anhaltende Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Eine der häufigsten Ursachen im Kindesalter ist eine genetische Veränderung im SPINK1, N34S. SPINK1 hemmt die Aktivierung der Verdauungsenzyme im Pankreas und verhindert somit einen Selbstverdau des Organs, der sich klinisch als Pankreatitis äußert. Die N34S-Mutation führt zu einer verminderten Herstellung des Inhibitors aufgrund einer gestörten Genregulation. Der genaue Mechanismus blieb allerdings bis heute ungeklärt. Mittels bioinformatischer Analysen und modernen „Proteomics“-Methoden gelang es uns, den Mechanismus zu entschlüsseln: Die N34S-Mutation befindet sich in vollständiger Kopplung d.h. immer zusammen mit einer Genvariante, die sich mehrere tausend Basen vor dem Gen befindet. Durch diese gekoppelte Variante, entsteht eine Bindungsstelle für GATA-Faktoren. Dadurch wird die SPINK1-Expression gehemmt. Wir konnten in mehreren funktionellen Analysen die GATA-Bindung von bestätigen.
Verminderte GATA-Bindung bei exokriner Pankreasinsuffizienz
Wir identifizierten vor kurzem eine Familie mit exokriner Pankreasinsuffizienz, in der über vier Generationen die Hälfte der Familienmitglieder betroffen sind, was einen autosomal-dominaten Erbgang nahelegt. Einige Betroffene haben zudem eine Verfettung (Lipomatose) der Bauchspeicheldrüse und eine Schilddrüsenunterfunktion. Wir führten in dieser Familie eine Genomsequenzierung durch d.h. die gesamte Erbsubstanz wurde auf genetische Veränderungen untersucht. In der genomweiten Analyse fand sich bei allen Betroffenen, aber nicht bei den gesunden Familienmitgliedern, eine Mutation, die nicht in den Datenbanken (>120.000 Personen) beschrieben ist. Diese Mutation liegt in einem regulatorischen Bereich eines wichtigen Transkriptionsfaktor-Gens, das für Herstellung fast aller Verdauungsenzyme essentiell ist, und zerstört eine GATA-Bindungsstelle. Somit nimmt GATA nicht nur bei der Organentwicklung, sondern auch bei der Entstehung einer Bauchspeicheldrüsenentzündung und einer exokrinen Pankreasinsuffizienz eine Schlüsselrolle ein.
Wirkung des Transkriptionsfaktors GATA
A Bindet GATA an sein spezifisches Erkennungsmotiv (GATA) bewirkt dies eine Verstärkung oder Verminderung der Transkription.
B Ist die Erkennungssequenz mutiert, kann GATA nicht mehr binden, und das entsprechende Gen und nachgeschaltete Gene sind in ihrer Regulation gestört.
Kooperationspartner
- Prof. Giriraj Chandak (CSIR-Centre for Cellular and Molecular Biology, Hyderabad/Indien)
- Dr. Stefanie Hauck (HMGU, Neuherberg)
- Prof. Matthias Löhr (Karolinska Institutet, Stockholm/Schweden)
- Prof. Jonas Rosendahl (Universität Halle)
- Dr. Martin Seifert (Genomatix, München)